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Biologie I: Systematik und Ökologie

Einordnung des Goldfisches in die zoologische Systematik

Als sich in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts der schwedische Gelehrte Carl Linnaeus mit den Lebewesen befaßte und sie in seiner „Systema Naturae“ beschrieb (vgl. auch Exkurs I: Wissenschaftliche Namen), waren die unten auf dieser Seite geschilderten Details noch nicht bekannt. Linnaeus' Einteilung beruhte allein auf Ähnlichkeiten im Körperbau (und lag damit schon nah an der heutigen Einteilung nach stammesgeschichtlichen Kriterien). Linnaeus nahm sich auch des Goldfisches an, über dessen Wildform er nicht informiert war. In der zehnten Auflage der „Systema Naturae“ (1758) legte er die Nomenklatur fest und beschrieb in der Gattung Cyprinus folgende Arten:

  • Cyprinus alburnus (Ukelei, Laube; heute Alburnus alburnus),
  • Cyprinus americanus (kein deutscher Name; heute Menticirrhus americanus),
  • Cyprinus aphya (Elritze; heute Phoxinus phoxinus),
  • Cyprinus aspius (Rapfen, Schied; heute Aspius aspius),
  • Cyprinus auratus (Goldfisch),
  • Cyprinus ballereus (Zope; heute Abramis ballerus),
  • Cyprinus barba (Barbe; heute Barbus barbus),
  • Cyprinus bjoerkna (Güster, Blicke; heute Abramis bjoerkna),
  • Cyprinus brama (Blei, Brachsen; heute Abramis brama),
  • Cyprinus carassius (Karausche, Moorkarpfen),
  • Cyprinus carpio (Karpfen, Wildkarpfen),
  • Cyprinus cephalus (Döbel, Aitel; heute Leuciscus cephalos),
  • Cyprinus dentex (kein deutscher Name; heute Alestes dentex),
  • Cyprinus erythrophthalmus (Rotfeder; heute Scardinius erythrophthalmus),
  • Cyprinus gobio (Gründling; heute Gobio gobio),
  • Cyprinus idus (Aland, Orfe, Nerfling; heute Leuciscus idus),
  • Cyprinus leucistus (Hasel; heute Leuciscus leuciscus),
  • Cyprinus nasus (Nase; heute Chondrostoma nasus),
  • Cyprinus phoxinus (Elritze; heute Phoxinus phoxinus),
  • Cyprinus rutilus (Plötze, Rotauge; heute Rutilus rutilus),
  • Cyprinus tinca (Schleie; heute Tinca tinca),
  • Cyprinus vimba (Zährte, Rußnase; heute Vimba vimba).

Abb. 1: Wildkarpfen -- carpe.jpg (44 kB)

Abb. 1: Karpfen Cyprinus carpio, hier die Wildform.
Der Karpfen ist mittlerweile die einzige Art der Gattung Cyprinus, welche Linnaeus anfangs wesentlich umfangreicher fasste. Der Karpfen und die zwei Arten der Karauschen bilden das kleine Taxon der Cyprininae, der Echten Karpfen.

Abb. v. M. L. van Melle

Der Goldfisch wurde also mit vielen anderen Karpfenfischen (ein­schließ­lich der auch „Moorkarpfen“ ge­nann­ten Karausche) in die Gattung Cyprinus ein­ge­ordnet. Im 18. und frühen 19. Jahrhundert wurde der Goldfisch auch als „Goldkarpfen“ bezeichnet, so z. B. auch bei Bechstein (1797). Von diesen zwei­undzwanzig Arten der Gattung Cyprinus wurden fast alle (teilweise von Linnaeus selbst) später umbenannt, weil ihre Unterschiede doch zu groß waren, um sie gemeinsam unter dem Gattungsnamen Cyprinus zu führen.
In der Gruppe der Cyprininae (Echte Karpfen) faßt man heute nur zwei Gattungen zusammen: Genus Cyprinus mit der mittlerweile nur einzigen Art Cyprinus carpio Linnaeus, 1758 (Karpfen) und die Karauschen Carassisus mit den zwei Arten Carassius carassius (Linnaeus, 1758) (Gewöhnliche Karausche) und Carassius auratus (Linnaeus, 1758) (Silberkarausche). In der äußeren Körperform ähneln sich Carassius auratus und Cyprinus carpio sehr, jedoch unterscheiden sich Karauschen und Karpfen deutlich durch die Barteln der letzteren.

Auf der folgenden Seite (Beschreibung des Goldfisches und seiner Verwandten) werden die Eigenschaften und Unterschiede von Karpfen und Karauschen näher erläutert. Hier nun weitere Details zur Systematik:

Der Goldfisch wird wie folgt in das System eingeordnet (es werden nicht alle Einzelschritte aufgeführt):

METAZOA  —  vielzellige Tiere
Eumetazoa — echte Vielzeller mit richtigem Gewebe
Bilateria — zweiseitig symmetrische Tiere
Deuterostomia — „Zweitmünder“: während der Embryonalentwicklung wird der Urmund zum After, die Mundöffnung entsteht neu; Herz liegt bauchseitig (ventral), Nervensystem rückenseitig (dorsal)
Chordata — Rückenmarktiere: eine Rückensaite (Chorda dorsalis) ist mindestens während der Embryonalentwicklung vorhanden
VERTEBRATA (= Craniota)  —  Wirbeltiere: die Chorda dorsalis wird während der Entwicklung durch eine Wirbelsäule ersetzt (Reste der Chorda sind die Bandscheiben), den Beginn des Verdauungstraktes stellt zumindest in der Embryonalentwicklung ein Kiemendarm dar
Gnathostomata — Kiefermäuler: die vorderen Kiemenbögen stellen einen Kieferapparat dar
Osteichthyes — Knochenfische: zumindest der Schädel ist verknöchert,
Actinopterygii — Strahlenflosser; eine Schwimmblase ist vorhanden
TELEOSTEI  —  Echte Knochenfische mit vollständig verknöchertem Skelett
Ostariophysi — [kein deutscher Name]: Weber'sche Knöchelchen verbinden Schwimmblase und Gehörorgane, es besteht ein Verbindungsgang zwischen Verdauungsgang und Schwimmblase
CYPRINIFORMES — Karpfenfische
Cyprinoidei — Karpfenähnliche: Kiefer und andere Mundknochen zahnlos, stattdessen Schlundknochen entwickelt, Mund stark vorstülpbar; Ursprungsgebiet vermutlich Südostasien (Hinterindien, Südchina)
Cyprinidae — Weißfische oder Eigentliche Karpfenfische: Mahl- oder Kauplatte vorhanden (dient in Zusammenarbeit mit den Schlundzähnen dem Zermahlen der Nahrung), Mund von Zwischenkieferknochen umsäumt
Cyprininae — Echte Karpfen; zwei Gattungen: Karpfen (Cyprinus) und Karauschen (Carassius)
Carassius — Karauschen (Gattung)
Carassius auratus (Linnaeus, 1758): Silberkarausche (Art)
Carassius auratus auratus (Linnaeus, 1758) Goldfisch (Zuchtform/Unterart)

Bei Gelegenheit wird an dieser Stelle zusätzlich eine Stammbaumzeichnung gezeigt. Ich bitte um Geduld.

Deko

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Die Karauschen gehören also in die große Familie der Cyprinidae (Karpfenartige oder Eigentliche Karpfen), einer weit verbreiteten, sehr zahlreichen Gruppe von Süßwasserfischen, die in Eurasien, Afrika und Nordamerika beheimatet sind. Die Cyprinidae lassen sich seit Beginn des Tertiärs nachweisen; ihrem Ursprung nach sind es Warmwasserfische, die sich in Südostasien entwickelten.
In unseren Breiten werden die hiesigen Cypriniden auch Weißfische genannt, da viele heimische Arten einen meist hellen silbrigen Glanz aufweisen. Sie machen einen großen Teil der europäischen Fischfauna aus. Ihr Ursprung als Warmwasserfische zeigt sich auch in ihren natürlichen Lebensräumen: während in Südasien viele Cypriniden auch in schnelleren Fließgewässern vorkommen, leben die Arten gemäßigter Breiten zu einem großen Teil in den wärmeren langsam fließenden und stehenden Gewässern. In der gängigen Einteilung der Flüsse, bei der einzelne Abschnitte nach typischen dort vorherrschenden Fischen benannt sind, gibt es die Barbenregion als charakteristischen Lebensraum vieler Cypriniden.

In Eurasien gibt es innerhalb der Cyprinidae die kleine Gruppe (drei Arten) der Cyprininae (Echte Karpfen). Davon leben in Mitteleuropa der (hier ursprünglich auch nicht heimische) Karpfen Cyprinus carpio und die Karausche Carassius carassius. Die Vorfahren der europäischen Karpfen stammen aus dem Unterlaufgebiet der Donau, dem Einzugsgebiet des Schwarzen und Kaspischen Meeres. Der Karpfen wurde bereits von den Römern als Speisefisch geschätzt und nach Mitteleuropa gebracht, wo er im Mittelalter als Fastenspeise gezüchtet wurde. Der Wildkarpfen ist übrigens eine inzwischen geschützte Art.

Was die Karauschen angeht, gibt es aufgrund ihrer enormen Anpassungsfähigkeit und Mutationsfreudigkeit immer noch viel Verwirrung in der Systematik, auch stellen viele Bücher den Sachverhalt nur unklar dar.
Inzwischen findet man fast überall den Hinweis, daß ein früher als eigene Art betrachteter Fisch, die Teichkarausche oder Steinkarausche C. humilis, eine Kümmerform von C. carassius ist: die Teichkarausche oder Steinkarausche Carassius carassius m. humilis ist die unter ungünstigen Bedingungen aufgewachsene Kümmerform, während die „Normalform“, die in größeren Gewässern mit guten Ernährungsbedingungen schneller aufwächst und hochrückiger ist, als Seekarausche oder Tellerkarausche Carassius carassius carassius bezeichnet wird. Zwischen diesen beiden Formen gibt es jedoch stufenlose Übergänge. (Nähere Informationen auf der folgenden Seite Beschreibung des Goldfisches und seiner Verwandten.)
Die mit der heimischen Karausche nah verwandte Silberkarausche hat ihr ursprüngliches Verbreitungsgebiet in Ostasien (Amur bis Hinterindien). Dieses Verbreitungsgebiet liegt südlich des von C. carassius, welches in Mittelasien an das von C. auratus grenzt. Die Europäische Karausche C. carassius mit ihren beiden Wuchsformen Tellerkarausche und Steinkarausche ist eng verwandt mit der ostasiatischen Silberkarausche C. auratus; mit sehr großer Wahrscheinlichkeit stammen sie direkt von einem gemeinsamen Vorfahren ab.
Daß die Artbildungsprozesse hier noch nicht abgeschlossen sind, zeigt eine Unterart von C. auratus, der Giebel Carassius auratus gibelio (Bloch, 1782), der in vielen Publikationen als die Wildform des Goldfisches genannt wird. Das ist nicht korrekt. Hier herrscht aufgrund eines nachlässigen Umgangs mit der Taxonomie (leider wird in vielen Büchern immer nur das übernommen, was irgendwann irgendwo einmal geschrieben wurde, und so können sich Fehler oder Ungenauigkeiten weiter verbreiten) leider eine weitverbreitete Fehlinformation vor. Der Giebel lebt weit westlich vom ursprünglichen Verbreitungsgebiet der Silberkarausche; seine Vorfahren sind wohl von chinesischen und/oder tartarischen Händlern im Gebiet des Aralsees an der Grenze zwischen Osteuropa und Westasien ausgesetzt worden. Seitdem verbreitet er sich immer weiter Richtung Westen und ist mittlerweile bis nach Deutschland vorgedrungen. Dabei weist er in den Randgebieten seiner Verbreitung erstaunliche Anpassungen auf, die es ermöglichen, daß die Populationen ausschließlich aus Weibchen bestehen, die ihre Eier von anderen Karpfenfischen (hauptsächlich Karpfen und Karauschen) besamen lassen. (Es erfolgt dabei aber keine Verschmelzung der Zellkerne, so daß die Samen ohne Befruchtung die Embryonalentwicklung auslösen. Diese Form der Fortpflanzung nennt man Gynogenese.)
Die Stammform sowohl des Giebels als auch des Goldfisches ist die Silberkarausche C. auratus. Der Goldfisch stammt nicht vom Giebel ab, sondern entwickelte sich in Südchina aus natürlichen xanthoristischen Mutationen der Silberkarauschen (zur Domestikation des Goldfisches s. Kapitel Geschichte). Der Xanthorismus wird auf der folgenden Seite Beschreibung des Goldfisches und seiner Verwandten dargestellt.
In alten Publikationen findet man (falls auf den Ursprung hingewiesen wird) die Aussage, der Goldfisch stamme von der Gewöhnlichen Karausche Carassius carassius ab. Dies liegt daran, daß es im Chinesischen ein Schriftzeichen für Karausche gibt; die Chinesen meinten damit selbstverständlich C. auratus, die europäischen Übersetzer kannten nur C. carassius (Autor, 19xx). Biochemische Methoden haben inzwischen eindeutig die chinesische Silberkarausche als den „Stammvater“ des Goldfisches bestätigt (Autor, 19xx).
Die herausgezüchteten Goldfische haben sich nun Jahrhunderte später in sehr vielen Ländern der Erde auch in freier Natur behaupten können. Dabei kann es (teilweise innerhalb weniger Generationen) dazu kommen, daß sich dunkelfarbige Rückmutationen, die der ursprünglichen Silberkarausche ähneln, sich in freien Gewässern besser halten als die rotgoldenen Tiere. In Mitteleuropa kommt es nun zu einer Vermischung von ausgesetzten Goldfischen C. auratus auratus mit eingewanderten Giebeln C. auratus giebelio. Dies wird die Verwirrungen und Ungenauigkeiten hinsichtlich der Karauschen und ihrer Unterarten nicht vereinfachen …


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http://goldfische.carassius-auratus.info/systematik.htm
http://goldfische.kaltwasseraquaristik.de/systematik.htm

Letzte Überarbeitung dieses Dokuments: 30. Mai 2003
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