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Biologie III: Physiologie

Atmung der Knochenfische: Kiemen und Gasaustausch

Die Fische atmen in der Mehrzahl durch Kiemen.

(Frey, 1957)

Übersicht:



Vorbemerkung

Der Gasaustausch bei jeder Atmung erfolgt auschließlich über Diffusion. Als Diffusion bezeichnet man den physikalischen Vorgang, daß sich Substanzen im Raum ausbreiten: von Orten mit hoher Konzentration breiten sie sich aus zu Orten mit niedrigerer Konzentration, bis daß im Idealfall überall die gleiche Konzentration herrscht.

Die Diffusionsgeschwindigkeit der Atemgase beim Gasaustausch ist abhängig von:

Die Atemgase sind:

Stickstoff N2 diffundiert ebenfalls herein und hinaus; er ist für den Zellstoffwechsel ohne Bedeutung.

Es wird unterschieden zwischen äußerer Atmung (Gasaustausch in den Kiemen) und innerer Atmung (Gasaustasuch in den Geweben).

1. Evolution der Atmungsorgane bei Wirbeltieren

Chordata („Rückenmarkstiere“ — zu ihnen gehören auch die Wirbeltiere Vertebrata) besitzen einen Kiemendarm: Der Darmtrakt bildet in seinem vorderen Teil Durchbrüche nach außen und Einstülpungen der Außenhaut nach innen. Dadurch entsteht ein Reusenapparat zur (mechanischen) Nahrungsgewinnung, der hintere Teil dient als „nutritorisches Epithel“ (Oberflächengewebe zur Nährstoffaufnahme) der Nährstoffresorption.
Die Vorfahren der Wirbeltiere (Vertebrata) haben nun zur Sauerstoffaufnahme im Bereich der Kiemenbögen ein „respiratorisches Epithel“ gebildet, ein Oberflächengewebe zum Gasaustausch. Es ist naheliegend, es an dieser Stelle auszubilden: Der Reusenapparat kann ja ständig von Wasser durchströmt werden. Durch die ständige Frischwasserzufuhr wird diffusionsfördernd der Konzentrationsunterschied zwischen dem Außenmedium (Wasser) und dem Innenraum (Blut) aufrechterhalten.
Aufgrund der im Vergleich zur Luft mehrfach zäheren Viskosität des Wassers ist ein permanentes Vorbei- oder Durchströmen günstiger und weniger energieaufwendig als ein ständiges Ein- und Ausatmen (in- und expiratorische Ventilation).

Im Laufe der Evolution gab es dann einige Fische, die in häufiger von Austrocknung bedrohten Gewässern lebten. (Zur Begriffsbestimmung Fisch vgl. Biologie I: Exkurs 1.) Da trockene Kiemen verkleben und nicht mehr zur Respiration taugen, entwickelten einige dieser Fische ein weiteres respiratorisches Epithel, weches in einer Aussackung des Vorderdarms lag und somit vor Austrocknung besser geschützt und zum Gasaustausch mit atmosphärischer Luft befähigt war. Aus dieser Aussackung entwickelte sich einerseits die Lunge der vierfüßigen Wirbeltiere (Tetrapoda), andererseits die Schwimmblase vieler Knochenfische (Osteichthyes). Die Schwimmblase der Knochenfische dient nun als hydrostatisches Organ. (Ein Beitrag zur Schwimmblase ist geplant.)

Abb. 1:  vertdarm.gif (1,99 kB)

Abb. 1: Schematischer Längsschnitt durch ein modellhaftes Wirbeltier.
A: Mundöffnung,  B: Kiemendarm,  C: Schwimmblase/Lunge,  D: resorbierender Teil des Darm­traktes,  E: After.

Kiemen und Lungen als respiratorische Epithelien der Wirbeltiere haben sich also beide aus Teilen des Vorderdarmgewebes entwickelt und weisen trotz ihrer funktionellen Differenzierungen noch viele parallele Strukturen zum Verdauungstrakt auf.

2. Aufbau und Struktur der Kiemen

2.1 Weg des Wasserstroms

Das Wasser strömt durch die Mundöffnung ein und verläßt den Mundraum durch die Kiemenspalten. Dabei passiert das Wasser die Kiemen, und der Gasaustausch findet statt. Der Branchialraum wird von dem häutigen Ligament und dem Kiemendeckel (Operculum) abgedeckt. (vgl. 3.1).

Abb. 2: Weg des Atemwasserstroms - wassstrm.gif (7,49 kB)

Abb. 2: Weg des Atemwasserstroms (Fisch ventral).
A: Mundöffnung,  B: Mundraum,  C: Kiemenspalte zwischen Kiemen­bögen,  D: Branchial­raum,  E: Ligament,  F: Operculum.

2.2 Grundaufbau der Kiemen

Zwischen den Kiemenspalten befinden sich die Kiemenbögen. Sie werden von je einem Knochen stabilisiert. Ein Längsmuskel kann durch Kontraktion eine Biegung herbeiführen. Zwei Arterien (eine afferente und eine efferente) transportieren das zu oxygenierende bzw. oxygenierte Blut. Eine (kleinere) Vene besorgt den Transport direkt zum Atrium des Herzens (vgl. 3.2). Außerdem befindet sich noch ein Nerv im Kiemenbogen.

An den Kiemenbögen hängen als seitliche flächige Ausstülpungen die Kiemenfilamente. Sie sind jeweils ebenfalls von afferenter und efferenter Arterie durchzogen. Ein zentralvenöser Sinus (CVS) leitet das Blut in die Kiemenbogenvene.
Das Filament wird von einer Knorpelspange stabilisiert. Deren Knorpelzellen sind geldrollenartig hintereinander angeordnet. Bei einigen Fischen (z. B. Guppy Poecilia reticulata) spannt sie allein aufgrund ihrer Elastizität die Filamente auf. Bei den meisten Fischen übernimmt diese Aufgabe der Musculus adductor, ein Muskel, der sich zwischen afferenter Arterie und Knorpelspange durch das ganze Filament zieht. Er besteht aus glatter Muskulatur.
Ein weiterer Muskel, der Musculus abductor, bewirkt bei allen Knochenfischen ein Zusammenziehen der Filamente. Dieses Zusammenziehen (vgl. 3.1.3) kann vom Fisch willkürlich gesteuert werden; es handelt sich um quergestreifte Muskulatur. Der Musculus abductor zieht sich nicht durch die ganze Länge des Filaments, und er liegt jenseits der afferenten Arterie (vgl. Abb. 3).

Abb. 3:  Kbogquer.gif (8,18 kB)

Abb. 3: Schematischer Querschnitt durch einen Kiemenbogen mit Aufsicht auf ein Filament.
A: Kiemenbogenmuskel,  B: Knochen,  C: Nerv,  D: efferente Arterie,  E: afferente Arterie,  F: Kiemenbogen­vene,  G: Knorpel­spange,  H: Musculus adductor,  J: Musculus abductor.
Die Pfeile geben die Fließrichtung des Blutes in den Arterien an.

Auf den Filamenten sitzen zur Oberflächenvergrößerung weitere flächige Ausstülpungen, die Lamellen. In ihnen ist das Kapillarsystem lokalisiert; hier findet der Gasaustausch statt (zur Feinstruktur s. 2.3). Filamente werden oft als Lamellen 1. Ordnung bezeichnet, Lamellen als Lamellen 2. Ordnung. Im folgenden sind mit Lamellen stets Lamellen 2. Ordnung gemeint.

Die Lamellen sitzen leicht schräg auf den Filamenten, so daß sich im Querschnitt des Filaments ein tannenzapfenähnliches Bild ergibt (s. Abb. 6, 10 und 11). An den Spitzen überlagern sich die Filamente benachbarter Kiemenbögen, so daß das Wasser zwischen den Filamentflächen vorbeiströmen muß (s. Abb. 2).

2.3 Feinstruktur der Lamellen

Die Lamellen dienen mit fast ihrer gesamten Fläche dem Gasaustausch. Die Blut-Wasser-Schranke (und somit die Diffusionsstrecke) ist sehr dünn. (1 bis max. 5 µm); zusammen mit der sehr guten Durchblutung ergibt sich daraus die auffallend rote Farbe der Kiemen: Wie bei allen Wirbeltieren wird der Sauerstoff an das Hämoglobin der Erythrozyten (Rote Blutzellen) gebunden. Nur ein geringer (und bei Goldfischen unbedeutender) Anteil ist frei im Blut gelöst.

Beginnend vom Außenraum (Wasser) sind die Schichten folgendermaßen angeordnet:

Das Endothel besteht aus sogenannten Pfeilerzellen, die im Lamellenquerschnitt Doppel-T-Träger-förmig erscheinen. Der Bereich um den Zellkern (Perikaryon) ist ein kurzes, tonnenförmiges Stämmchen. Scheibenförmige Ausläufer an beiden „Enden“ des Stämmchens überlappen sich mit denen benachbarter Pfeilerzellen und bilden zusammen mit dem Plattenepithel die Blut-Wasser-Schranke (s. Abb. 4 u. 6).

Abb. 4:  pfeilerz.gif (9,05 kB)

Abb. 4: Schemazeichnung einer Pfeilerzelle.
A: Perikaryon,  B: cytoplasmatische Ausläufer,  C: Zellkern (Nukleus),  D: Membran­einstül­pungen,  E: Kollagenfasern,  F: intrazelluläre Desmosomen,  G: Erythrozyt in „Kapillare“.

Zur Erhöhung der Stabilität sind Kollagenfasern durch Membraneinstülpungen in die Zelle eingesenkt. Diese Fasern durchziehen die Pfeilerzellen also extrazellulär. Die Membraneinstülpungen werden durch sogenannte intrazelluläre Desmosomen verschlossen.

Das Blut fließt also nicht durch Kapillaren im üblichen Sinne (Haargefäße), sondern durch eine Säulenhalle, deren Säulen vom Perikaryon der Pfeilerzellen und deren Decke und Boden durch die cytoplasmatischen Ausläufer derselben gebildet werden. Die Raumhöhe und der Abstand zwischen den Pfeilern sind jeweils gering; in der Regel liegen die Erythrozyten einschichtig in den Lamellen. Dies ist im Hinblick auf möglichst effektiven Gasaustausch sinnvoll. Die Effektivität wird weiterhin erhöht durch den Umstand, daß das Blut in den Lamellen dem Wasser entgegenströmt. Das Gegenstromprinzip (ein auch in der Technik häufig verwendeter physikalischer Trick) hält den Konzentrationsunterschied aufrecht.

Abb. 5:  gegstrom.gif (11,8 kB)

Abb.: 5: Prinzip des Austauschs im Gegenstrom
Oben: Austausch im Gleichstrom, unten: Austausch im Gegenstrom.
Während beim Strom in gleicher Richtung nur ein Ausgleich des Konzentrations­unter­schiedes bis zum Geichgewicht möglich ist, wird beim Gegenstrom der Unterschied über die ganze Strecke aufrecht erhalten:
Kommt in A viel • an, ist im Gegenstrom von B zwar schon • enthalten, aber doch weniger als in A, so daß eine Diffusion von A nach B stattfindet. Ist am Ende von A nur noch wenig • enthalten, ist in B noch kein •, so daß weiterhin eine Diffusion von A nach B stattfindet. Bei entsprechender Fließgeschwindigkeit ist ein nahezu hundert­prozentiger Austausch möglich.
Es ist egal, ob es sich bei • um Atemgase (Kiemen), Wärme (Kühlanlagen) o. ä. handelt; das physikalische Prinzip ist in der Anwendung vielfältig.
 

Abb. 6:  filaquer.gif (12,6 kB)

Abb. 6: Schematischer Querschnitt durch ein Kiemenfilament mit Anschnitt der Lamellen.
A: afferente Arterie,  B: Musculus adductor,  C: CVS (zentralvenöser Sinus),  D: Knorpel­spange,  E: efferente Arterie,  F: Musculus abductor,  G: Lamelle,  H: zweischichtiges Epithel,  J: Pfeilerzelle,  K: „Kapillare“.
Anmerkung: Im Querschnitt der Filamente ergeben sich solche Schnittbilder. Die räumliche Darstellung meiner Zeichnung vermittelt den Eindruck, als ob die Lamellen längs über die Filamente zögen; in vielen Büchern dagegen findet man Abbildungen, die die Lamellen quer auf den Filamenten zeigen. Beides ist nicht ganz korrekt: tatsächlich verlaufen die Lamellen weder quer noch längs sondern schräg. Bei Gelegenheit muß ich ein neues Bild zeichnen, das auch in der räumlichen Darstellung den tatsächlichen Verhältnissen gerecht wird.

2.4 Besondere Zelltypen der Fischkiemen

2.4.1 Becherzellen

Genau wie im Magen-Darm-Trakt findet man auch in den Kiemen merokrin-schleimproduzierende Becher­zellen. Der von ihnen sezernierte Schleim (Mucus) dient dem Schutz der empfindlichen Kiemen.
Die Becherzellen liegen meist am Grund der Lamellen im Epithel der Filamente. (s. Abb. 9 u. 11).

2.4.2 Chloridzellen (=Ionocyten)

Wasserlebende Wirbeltiere haben ein grundsätzliches Problem: Das sie umgebende Wasser ist im Vergleich zur Körper­flüssigkeit entweder salzreicher (hypertonisch, bei Meerestieren) oder salzärmer (hypotonisch, bei Süßwassertieren). Eine Osmoregulation ist also zwingend erforderlich. Dabei erfüllen die Chloridzellen der Kiemen eine wichtige Funktion: Bei Süßwasserfischen dienen die Chloridzellen der Ionenaufnahme (Resorption), bei Salzwasserfischen der Ionenabgabe (Exkretion). Chloridzellen, die der Ionenresorption dienen, haben oft eine stark vergrößerte apikale Höhle (Einbuchtung an der dem Wasser zugewandten „Spitze“), die als „Ionenfänger“ dient.
 

3. Steuerung der Ventilation und des Gasaustausches

3.1 Regulation des Wasserstroms

3.1.1 Aktive Ventilation

Im Ruhezustand können Knochenfische aktiv einen Wasserstrom durch Mund- und Branchialraum erzeugen, indem sie den Mundboden heben und senken. Die Lippen und das Ligament (vgl. Abb. 2) lassen das Wasser nur in eine Richtung passieren.

Abb. 12:  aktiVent.gif (1,83 kB)

Abb. 12: Schematisch-mechanisierte Darstellung der Aktiven Ventilation (vgl. Text)
A: Mundöffnung,  B: Mundraum,  C: Kiemen,  D: Branchial­raum,  E: Ligament,  F: Mundhöhlen­boden.

Beim Senken des Mundbodens wird Wasser durch die Lippen eingesogen, während das Ligament verschließt. Hebt sich der Mundboden, verschließen die Lippen, und das Wasser wird an Kiemen und Ligament vorbei durch den Branchialraum gedrückt. Die Tätigkeit des als Kolben wirkenden Mundhöhlenbodens bestimmt also Menge und Geschwindigkeit des Atemwasserstroms.

Diese Aktive Ventilation ist wenig energieaufwendig bei relativ hohem Wasserdurchfluß und daher sehr effektiv.

3.1.2 Passive Ventilation

Schwimmende Fische öffnen einfach das Maul und lassen Wasser die Kiemen passieren. Diese Ventilation benötigt keine speziellen Atembewegungen und ist daher passiv; insgesamt ist der Fisch durch seine Schwimmbewegungen jedoch sehr aktiv.

Als reine Ventilationstechnik ist diese Methode also wegen des hohen Energieaufwandes wenig effektiv. Sie erfolgt nur bei erhöhtem Sauerstoffbedarf, wenn der Fisch sich sowieso bewegt.

3.1.3 Notatmung an der Wasseroberfläche

Bei sehr sauerstoffarmem Wasser oder bei Beeinträchtigung der Kiemen (z. B. durch Nitrit-Vergiftung) versuchen Fische, den höheren Sauerstoffgehalt atmosphärischer Luft zu nutzen. Sie halten ihren Mund aus dem Wasser und schnappen nach „Luft“. Dabei erfolgt durch die sehr dünne Schicht des Wassers auf den Kiemen eine aufgrund des erhöhten Konzentrationsunterschiedes (Luft enthält mehr Sauerstoff als das Wasser) eine erleichtertete Diffusion zwischen Blut und Luft.

Fischarten, die ständig in sehr sauerstoffarmem Wasser leben, haben besondere Strategien entwickelt, um dies zu kompensieren. So füllen einige Welse eine besondere Darmstruktur regelmäßig mit atmosphärischer Luft, Labyrinthfische haben das namensgebende Labyrinthorgan entwickelt, mit dem sie Luft aufnehmen, und Karauschen haben die Möglichkeit, durch Fettspaltung Sauerstoff über den Stoffwechsel verfügbar zu machen (vgl. 5.)

3.1.4 Reinigen blockierter Filamente

Hängen Fremdkörper zwischen den wie eine Reuse wirkenden Filamenten, behindern sie den Wasserstrom. Um einer totalen Verstopfung der Kiemen vorzubeugen, können die Filamente bei Bedarf mit Hilfe des Musculus abductor (s. 2.2) willkürlich aus dem Wasserstrom gezogen werden.

Abb. 13:  reinigng.gif (2,90 kB)

Abb. 13: Reinigen blockierter Filamente (vgl. Text)

Der Fremdkörper wird mit dem Atemwasser in den Branchialraum gespült. Die Kontraktion des Musculus abductor entspricht funktionell also dem Husten.

3.2 Regelung der Intensität des Gasaustausches

Das Blutgefäßsystem der Fische besteht aus zwei Klassen von Arterien sowie den Venen:
Afferente Arterien transportieren das Blut vom Herzen zu den Kiemen, efferente Arterien transportieren das Blut von den Kiemen in den Körper. Über die Venen fließt es zurück zum Herzen.

Abb. 14:  bltkrslf.gif (15,6 kB)

Abb. 14: Schema des Kreislaufsystems (Fisch ventral).
a) Übersicht, stark vereinfacht: ohne CVS, ohne Kiemenbogenvene, ohne Vena hepatica
b) Detail: Herz, Kiemen
A: Herz,  B: Truncus arteriosus,  C: afferente Arterie,  C: efferente Arterie,  E: Anastomosen,  F: CVS,  G: Kiemenbogenvene,  H: Aortenwurzel,  J: Vena cardinalis,  K: Körperkapillaren.
schwarze Gefäße: venöses (anoxygenes) Blut, weiße Gefäße: arterielles (oxygeniertes) Blut, gepunktete Gefäße: oxygeniertes Blut der Kiemenbogenvene.

a) verändert aus Freye (1984)

In diesem einfachen Kreislauf werden also im Gegensatz zum doppelten Kreislauf der Säuger (Lungenkreislauf / Körperkreislauf) eigentlich keine Kiemenvenen, die oxygeniertes Blut zum Herzen leiten, benötigt. Trotzdem sind neben afferenten und efferenten Arterien noch der zentralvenöse Sinus (CVS) und die ihn aufnehmenden und direkt zum Herzen führende Kiemenbogenvene vorhanden. Dieses Bypass-System, mit dem das Blut von den Kiemen (ohne Gasaustausch im Körpergewebe) direkt zum Herzen gelangt, wirkt zusammen mit den arteriovenösen Anastomosen bei der Regelung der Intensität des Gasaustausches mit. Das Prinzip ist relativ einfach: Bei den Anastomosen handelt es sich um kurze Kanäle mit glatter Muskulatur, die an den efferenten Arterien liegen. Kontrahieren sie, wird der Abtransport des oxygenierten Blutes über die efferenten Arterien gedrosselt. Nun fließt das Blut über den venösen Bypass ab, der jedoch mengenmäßig nicht ausreicht, so daß durch den entstehenden Rückstau der Blutstrom in einigen Kapillaren völlig zum Stillstand kommt. Da diese Kapillaren nun nicht mehr dem Gasaustausch zur Verfügung stehen, ist insgesamt die Diffusionsoberfläche reduziert. Der Gasaustausch kann also durch die Aktivität der arteriovenösen Anastomosen fein geregelt werden.

4. Funktionswandel der Kiemenbögen

Ursprünglich diente der Kiemendarm der Chordatiere (wie schon erwähnt) als Reusenapparat zur Nahrungsgewinnung. Erst als mit zunehmender Körpergröße die Hautatmung nicht mehr ausreichte und spezielle Atmungsorgane nötig wurden, bildete sich zwischen den Kiemenspalten das respiratorische Epithel, das seine (vorläufige) Perfektion in den dargestellten Kiemen der Knochenfische hat.

Doch nicht alle Kiemenbögen sind als Kiemen an der Atmung beteiligt: Die Grundanlage fand vielfältige Verwendung. Schon bei den Gnathostomata wurden die vorderen Kiemenbögen zu einem ursprünglichen Kiefer umgewandelt. Bei Knochenfischen (so auch unseren Goldfischen) sind nur noch vier Kiemenbogenpaare als „Kiemenhalter“ an der Atmung beteiligt. Landwirbeltiere haben auch diese Funktion abgewandelt und die Kiemenspalten geschlossen. Kieferknochen, Zungenbein, Kehlkopfteile, Gehörknöchelchen — alle diese Strukturen der Wirbeltiere sind im Laufe der Evolution aus Kiemenbögen entstanden. Kiemenbögen und Kiemenspalten sind auch bei uns Menschen während der Embryonalentwicklung zeitweise ausgebildet, doch sie werden im Verlauf der weiteren Entwicklung geschlossen. Nicht geschlossene Kiemenspalten sind ein pathologischer Atavismus und in der Humanmedizin als Halsfisteln bekannt.

Landwirbeltiere haben einen wesentlich höheren Sauerstoffbedarf. Da atmosphärische Luft wesentlich mehr Sauerstoff enthält als Wasser aufnehmen kann, war für höher entwickelte Wirbeltiere die Entwicklung der Luftatmung unverzichtbar. Auch Wale wären mit Kiemen schlecht bedient. Goldfischen jedoch sind sie ein hochwirksames Organ, um dem Wasser den zum Leben benötigten Sauerstoff zu entnehmen und im Körper angereichertes Kohlendioxid abzuatmen.

5. Fettspaltung: anaerober Metabolismus

Einzigartig innerhalb der Wirbeltiere ist die bei Karauschen vorhandene Fähigkeit, in fast sauerstoffreiem Wasser zu leben. Insbesondere die Steinkarauschen (vgl. Biologie I: Beschreibung) sind dadurch in der Lage, Gewässer zu besiedeln, die sonst für Fische unbewohnbar wären. Auch dieser Fähigkeit ist es zu verdanken, daß einige wenige Goldfische die enorm strapaziösen Schiffsüberfahrten von China nach Europa überlebten: Wochenlang in offenen Behältern an Deck der Segelschiffe, kaum Wasserwechsel und keine Filter. Nur dadurch sind auch Goldfische manchmal die einzigen Fische, die eine Überwinterung im sauerstoffarmen Teich unter geschlossenem Eis überleben. Karpfen ersticken da viel schneller. Voraussetzung sind allerdings ausreichende Fettreserven vor der Überwinterung.

Die Fähigkeit zum anaeroben Metabolismus ist ansonsten nur bei einigen wirbellosen Tieren (z. B. den darmparasitischen Spulwürmern und Bandwürmern) vorhanden. Durch Abspaltung von Sauerstoffmolekülen von Fettsäureketten kann den Körperfunktionen Sauerstoff zur Verfügung gestellt werden. Dabei fallen jedoch einige Stoffe an, zu deren Weiterverarbeitung der Organismus auch in der Lage sein muß. Die Atmung von im Wasser gelöstem Sauerstoff ist in jedem Fall weniger energieaufwendig und effektiver. Da bei dieser Form eines anaeroben Stoffwechsels auch Ethanol entsteht, enthält das Blut sogar etwas „Frostschutzmittel“.

Literatur

BIERTHER, M. (1970): Die Chloridzellen des Stichlings.
Z. Zellforsch. 107, 421-446

ECKERT, R. (1986): Tierphysiologie.
2. Auflage
Thieme Verlag Stuttgart, New York

FREYE, H.-A. (1984): Zoologie.
8. Auflage
Verlag Harri Deutsch Thun, Frankfurt a. M.

HEIDERMANNS (1957): Grundzüge der Tierphysiologie.
2. Auflage
Gustav Fischer Verlag Stuttgart

KOMNICK, H. (1986): Chloride Cells and Salt Glands.
in: J. BEREITER-HAHN / A. G. MATOLTSY / K. S. RICHARDS (Eds.): Biology of the Integument. Vol. 2 Vertebrates.
Springer-Verlag Berlin, Heidelberg, New York

PENZLIN, H. (1991): Lehrbuch der Tierphysiologie.
5. Auflage
Gustav Fischer Verlag Jena, Stuttgart


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http://goldfische.carassius-auratus.info/fischatmung.htm
http://goldfische.kaltwasseraquaristik.de/fischatmung.htm

Letzte Überarbeitung: 01.07.2002/26.06.2006
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