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Biologie I: Systematik und Ökologie

Wissenschaftliche Namen:
Geschichte und Verwendung

Als wenn das auf Namen ruhte,
Was sich schweigend nur entfaltet!
Lieb ich doch das schöne Gute,
Wie es sich aus Gott gestaltet!

(J. W. Goethe, 1819: „West-östlicher Divan“)

Die eindeutige und verwechselungssichere Benennung der verschiedenen Organismen ist schwierig. Einerseits existieren selbst innerhalb einer Sprache verschiedene Bezeichnungen für einen Organismus; andererseits gibt es für einige Organismen gar keine eingebürgerten Namen in der jeweiligen Landessprache. Im internationalen Austausch wird die Angelegenheit noch komplizierter.

Im Ringen um eindeutige Bezeichnungen entstanden im 17. und 18. Jahrhundert so aus heutiger Sicht skurile Namen wie Kleiner grüner Wiesenkäfer mit feinen gelben Streifen, die auch irgendwann nicht mehr praktikabel sowie im internationalen Verkehr ebenfalls unbrauchbar waren.

Schließlich begannen einige Naturforscher, die von Ihnen beschriebenen Organismen mit (meist zweiteiligen) lateinischen oder griechischen Namen zu benennen. Diese Praxis wurde von dem schwedischen Naturforscher Carl Linnaeus (1707—1778, nach seiner Adelung 1757 Carl von Linné) aufgegriffen und konkretisiert. Erstmals praktizierte er es in seinem Werk „Species plantarum“ (1753). In der 10. Auflage seiner „Systema Naturae“ (1758) versah er alle von ihm beschriebenen Lebewesen konsequent mit zweiteiligen lateinisch-griechischen Namen.
Diese binominale Nomenklatur (auch binäre Nomenklatur genannt) wurde dann weltweit verbindlich und gilt bis heute. Ein Binomen bezeichnet eine (und nur eine!) Art; es besteht aus dem Gattungsnamen (vorangestellt und mit Großbuchstaben beginnend) und dem Art-Epithet (nachgestellt und mit Kleinbuchstaben beginnend). Das Epithet wird oft auch als Artname bezeichnet, was aber falsch ist: der Artname ist das ganze Binomen. Diesem Binomen kann noch ein dritter (ebenfalls mit Kleinschreibung beginnender) Name zur Bezeichnung der Unterart, geographischen Form oder Rasse angehängt werden. Die europäische Karausche hat also die wissenschaftliche Bezeichnung Carassius carassius, die asiatische Silberkarausche heißt Carassius auratus. Der Goldfisch als eine Zuchtform hat die Bezeichnung Carassius auratus auratus.

Gattungsname, Art-Epithet (und ggf. Unterart) werden grundsätzlich kursiv gesetzt; nur wo das nicht möglich ist wird stattdessen unterstrichen (Handschrift, Schreibmaschine) oder mit Hilfe von /Schrägstrichen/ kenntlich gemacht (E-Mails, Newsgroups). Nicht kursiv gesetzt werden andere (übergeordnete) taxonomische Gliederungen, wie z. B. Cyprinidae. Leider findet man in der Sekundär­literatur und in unqualifizierten aquaristischen Publi­kationen oft einen unkorrekten und fahrlässigen Umgang mit den typographischen nomenklatorischen Regeln. Da werden Artnamen nicht kursiv gesetzt oder aber auch übergeordnete Taxa (z. B. Cyprinidae) fälschlicherweise kursiv gesetzt. Ebenfalls ist oft eine Großschreibung beider Bestandteile des Binomens zu finden.

Wenn ein Name in einem Text zum ersten Mal erwähnt wird, sollte er voll ausgeschrieben werden. Im weiteren Verlauf wird dann meist der Gattungsname mit dem Anfangsbuchstaben abgekürzt, auch wenn eine andere Art der Gattung erwähnt wird. Jeder Leser dieses Textes sollte nun also wissen, welche Arten mit C. carassius und C. auratus gemeint sind.

Wer bestimmt aber nun, wie eine Art benannt wird, und warum gibt es so viele ungültige wissenschaftliche Namen?
Nach den internationalen Regeln gilt (vereinfacht): Wer eine Art zuerst beschreibt, darf sie benennen. Förmlicherweise wird von vielen Autoren relativ zurückhaltend zunächst ein Name vorgeschlagen; die Fachwelt übernimmt dann i. d. R. diesen Namen. Im Interesse der Eindeutigkeit wird hinter den Namen dann der Familienname des Autors sowie die Jahreszahl der entsprechenden Publikation gesetzt. (Für viele Autoren gibt es auch international vereinbarte Abkürzungen, z. B. „L.“ für Linnaeus. Insbesondere die Botaniker machen von diesen Abkürzungen regen Gebrauch.)
1758 beschrieb Linnaeus in seiner „Systema Naturae“ auch den Goldfisch und nannte ihn Cyprinus auratus. Wäre der Name noch gültig, lautete die vollständige Bezeichnung also Cyprinus auratus Linnaeus, 1758.
Da aber nach weiteren Erkennntnissen Karpfen und Karauschen in zwei getrennte Gattungen gestellt werden, wurde der Goldfisch umbenannt. Dabei wurde der von Linnaeus ursprünglich gewählte Name so weit wie möglich beibehalten, nur der Gattungsname wurde geändert. Linnaeus gilt also weiterhin als der Erstbeschreiber, doch da es sich nun nicht mehr um den originalen Namen von 1758 handelt, wird der Autor in Klammern gesetzt. Nach der Umbenennnung lautete die korrekte Bezeichnung also Carassius auratus (Linnaeus, 1758). Als bekannt wurde, daß die Silberkarausche die Wildform ist, galt der Name auch für diese, und unser Goldfisch als Zuchtform heißt seitdem Carassius auratus auratus (Linnaeus, 1758).

Möglich und in Ichthyologie (Fischkunde) und Aquaristik sogar häufig ist der Umstand, daß ein Autor eine Art beschreibt, die sich später als identisch mit einer bereits von einem anderen Autor beschriebenen Art erweist (oder aber als eine Unterart derselben angesehen wird). In diesem Fall gilt die Prioritätsregel: der älteste Name ist der jeweils gültige — vorausgesetzt, er stammt nicht aus der Zeit vor der „offiziellen“ Einführung der binominalen Nomenklatur durch Linnaeus im Jahre 1758. Auf diese Weise sind viele Synonyme zu den gültigen Namen entstanden.
Es kann auch passieren, daß sich später eine ältere Beschreibung einer Art findet als die bisherige. Grundsätzlich gilt die Prioritätsregel, nach der der älteste Name verbindlich ist, doch können von der ->International Commission on Zoological Nomenclature (ICZN) Einzel­entscheidungen zugunsten eines neueren Namens getroffen werden; wenn z. B. die ältere Beschreibung in der Fachwelt nur wenig Beachtung fand und/oder mangelhaft war. Auch sollte ein Typus-Exemplar hinterlegt werden.
Was ist ein Typus-Exemplar? Um die beschriebenen Organismen nachträglich untersuchen zu können, sollte zu jeder Artbeschreibung ein Typus-Exempar hinterlegt werden. Solche Typus-Exemplare findet man meist in den wissenschaftlichen Sammlungen großer Naturkunde-Museen. Sie ermöglichen zu einem späteren Zeitpunkt eine Überprüfung der beschriebenen Art. Letztendlich gilt die Artbeschreibung und der zugehörige Name nur für dieses beschriebene Typus-Exemplar.
Für den Goldfisch hat Linnaeus leider kein Typus-Exemplar hinterlassen, doch sind aus diesem Umstand bisher noch keine Probleme entstanden.


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http://goldfische.carassius-auratus.info/taxoname.htm
http://goldfische.kaltwasseraquaristik.de/taxoname.htm

Letzte Überarbeitung dieses Dokuments: 30. Mai 2003
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