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Biologie I: Systematik und Ökologie

Goldfische im Naturhaushalt

Abb. 1: Goldfische -- choco-gold.jpg (17  kB)

Abb. 1: Goldfische.
Seine Heimat ist China und Japan, von wo er im 17. Jahr­hundert nach Europa ein­ge­führt wurde. Gegen­wärtig hat er sich über die civili­sierten Länder der ganzen Erde ver­brei­tet und sich in den warmen Teilen der ge­mäs­sig­ten Zone wirklich heimisch gemacht.

Sammelbild Gruppe 174, No. V für „Stollwerck's Sammelalbum No 4“
Künstler und Texter unbekannt.

Goldfische haben sich in­zwi­schen in vielen Ländern der Welt auch in freier Natur behaupten können. Die Zucht­formen mit dickem Bauch und großen Flossen sind dort aller­dings nicht zu finden: Sie werden Opfer sowohl kühler Temperaturen als auch fisch­fressender „Räuber“. Auch in der Nahrungs­konkurrenz sind sie unter natür­lichen Bedingungen unterlegen. Gewöhn­liche/Normale Goldfische halten sich in vielen Gebieten dagegen sehr gut. Als Allesfresser kommen sie mit einem breiten Spektrum an Nahrung zurecht, und die den Karauschen eigene Zäh­lebigkeit läßt viele Individuen auch unter schwierigen Bedingungen überleben. Das mittel­europäische Klima vertragen sie, und erst recht das südeuropäische. Goldfisch­populationen in Südfrankreich und Italien zeigen, daß sie mit etwas wärmeren Temperaturen besser zurecht kommen.
Im Laufe der Generationen setzen sich dann mehr und mehr wieder „Rückmutationen“ durch: Fische, die statt der rotgoldenen Färbung die dunkelgrünbraune Ursprungsfarbe der Wildform aufweisen. Mir wurde sogar berichtet, daß dies im Laufe der Generationen auch im Gartenteich auftreten kann. Dennoch ist es erstaunlich und ein Hinweis auf die enorme Anpassungsfähigkeit der Goldfische, daß sich auch die rotgoldenen Formen sehr lange in „freier Wildbahn“ halten können.
Auf den Bermudas leben ausgesetzte Goldfischpopulationen sogar im salzigen Brackwasser des Meeres (Grzimek, 1970).

In Europa sind insbesondere in Südfrankreich und Italien sehr viele Goldfischpopulationen in freier Natur anzutreffen. In anderen Gegenden kommt es auch zu einer Vermischung mit Beständen des immer weiter nach Westen vordringenden Giebels C. auratus giebelio. In vielen Bestimmungsbüchern wird der Giebel fälschlicherweise als Wildform des Goldfisches geführt. Es wird daher wahrscheinlich schwierig werden, in Zukunft verwilderte Goldfische und Giebel auseinanderzuhalten. Die Verwirrung in der Systematik der Karauschen wird also nicht kleiner werden. Auch Vermischungen mit der Gewönlichen (europäischen) Karausche C. carassius sind zu befürchten; doch sind mir dazu noch keine Berichte bekannt.

Abb. 2: Karpfen -- choco-karp.jpg (15  kB)

Abb. 2: Karpfen.
Der Karpfen wird jetzt fast überall im mittleren Europa in Seen, Teichen und Flüssen ge­halten, gedeiht aber am besten in schlammigen Ge­wäs­sern, die reich mit Wasser­pflanzen bestan­den sind. Er nährt sich von Insekten­larven, Wür­mern und Pflanzen­stof­fen und durchwühlt dar­nach emsig den Schlamm.

Sammelbild Gruppe 174, No. V für „Stollwerck's Sammelalbum No 4“
Künstler und Texter unbekannt.

Goldfische sind unnatürliche Bestandteile der europä­ischen Tier­welt: Sie sind (ver­wilderte) Haus­tiere, die Ab­kömm­linge einer in Europa nicht heimischen Art sind. Goldfische sind somit grund­sätzlich ein Beitrag zu der in letzter Zeit intensiv diskutierten Faunen­verfä­schung. Die Auswirkungen fremder Arten auf die ur­sprüng­liche Tier- und Pflanzen­welt sind in ihrer Bedeutung um­stritten:

Das Problem beginnt damit, daß bereits seit dem Altertum viele „fremde“ Tier- und Pflanzenarten in Mittel- und Nord­europa angesiedelt wurden, die dort nach der letzten großen Eiszeit natürlicher­weise nicht vorkamen. Dies sind neben fast allen ackerbaulichen Nutzpflanzen auch Tiere wie der Fasan, der Feldhase, der Karpfen und viele andere. Auch die Europäische Sumpf­schildkröte ist wahrscheinlich in den Gebieten, in denen sie heute auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Tierarten geführt wird, gar nicht heimisch gewesen.
Um diese Organismen wird allerdings hinsichtlich ihrer eigentlichen Nicht-Zugehörigkeit zur mittel­europäischen Fauna oder Flora wenig Aufhebens gemacht — im Gegenteil: Sie werden als heimische Arten behandelt (und ggf. unter Schutz gestellt). Per Definition bezeichnet man erst alle nach dem Jahr 1492 in Europa eingeführte oder eingewanderte Organismen als „Neobiota“ (neue Tier­arten: „Neozoa“, neue Pflanzen­arten: „Neophyta“). Demzufolge ist Carassius auratus ein Neozoon.
Es bleibt abzuwarten, ob die Flut der Neozoen, die sich augenblicklich in Europa ausbreiten, wirklich zu Schäden im Naturhaushalt führt. Einige dieser Arten (wie z. B. die aus dem Schwarzmeerraum eingeschleppte Dreikant-Muschel Dreissena polymorpha) waren vor der Eiszeit durchaus in Mitteleuropa heimisch! Andere Arten kommen von weit her und sind niemals in Mitteleuropa vorgekommen. Die mögliche oder auszuschließende Verdrängung heimischer Arten ist oft noch ungeklärt.
Eindeutige Einzelfälle gibt es: Am Beispiel des Amerikanischen Flußkrebses Orconectes limosus, auch Kamberkrebs genannt, wird deutlich, daß die Einfuhr fremder Tierarten tatsächlich katastrophale Folgen haben kann: Die von den „Amerikanern“ eingeschleppte Krebspest hat die Bestände des europäischen Edelkrebses Astacus astacus bis auf wenige Reliktvorkommen fast vollständig vernichtet. Ein Beispiel aus der Säugetierwelt: In Großbritannien (und neuerdings in Italien) ist es vermutlich nur noch eine Frage der Zeit, bis die größeren und stärkeren nordamerikanischen Grauhörnchen Sciurus carolinensis die heimischen Eichhörnchen Sciurus vulgaris, denen sie in der Nahrungs­konkurrenz überlegen sind, vollständig verdrängt haben. Kaninchen in Australien, Ratten auf den Galapagos-Inseln; die Problematik ist nicht auf Europa beschränkt. Es sind also einzelne Arten, die das ökologische Gefüge empfindlich stören können — nicht generell die Gesamtheit der neuen Arten.

Die aus Asien und dem Schwarzmeereinzugsgebiet (Donausystem) stammenden Karpfen sind in Deutschland allgemein akzeptiert (und werden als Wildform auf der Roten Liste geführt). Die aus Asien stammenden Silberkarauschen/Goldfische sorgen allerdings als ausgesetzte Haustiere für erheblichen Widerstand seitens der Naturschützer.
Das Problem liegt in meinen Augen in Deutschland nicht wirklich darin, daß es sich um Carassius auratus handelt; es geht eher darum, daß in bestimmte Gewässer überhaupt kleintier­fressende Fische ausgesetzt werden. In einem Schutzgebiet für Molche würden Stichlinge wohl genauso großen Schaden anrichten wie Goldfische. Stichlinge werden nur nicht leichtfertig als Haustiere angeschafft (oder verschenkt) und dann irgendwo „entsorgt“.

Woanders mag das anders aussehen: In wärmeren Gegenden Europas verdrängen Goldfische offensichtlich generell heimische Fische, auch aus Nordamerika gibt es mehrere entsprechende Berichte (dort wird übrigens auch der Karpfen von Natur­schützern erbittert bekämpft). In verschiedenen Gegenden der Welt haben Goldfische schwere ökologische Schäden angerichtet (z. B. auf Mauritius).
Ich vermute, daß sie in Mitteleuropa bisher aus zwei Gründen keine Probleme bereiten: Einerseits ist ihre ökologische Nische der von C. carassius ähnlich, und andererseits sind sie hinsichtlich ihres Temperatur­spektrums mittel­europäischem Klima nicht optimal angepaßt.

Unabhängig davon, ob freigelassene Goldfische nun Schäden in der heimischen Restnatur anrichten können oder nicht; die gesetzliche Lage ist eindeutig: Das Aussetzen von Zierfischen in die freie Natur ist verboten. Auch wenn das Bundesnaturschutzgesetz nach der letzten Novellierung den entsprechenden Passus nicht mehr enthält, ist die Angelegenheit in allen Landesfischereigesetzen geregelt: Das Einbringen von Fischen, Rundmäulern und Zehnfußkrebsen ist genehmigungspflichtig!
Ich bitte alle Goldfischhalter, sich an dieses durchaus sinnvolle Verbot zu halten. Es geht nicht nur darum, der Faunenverfälschung vorzubeugen, sondern auch, daß durch das Einsetzen von Goldfischen in möglicherweise bislang fischfreie Gewässer diese grundlegend in ihrer Besiedlung mit Klein- und Kleinsttieren geschädigt werden! Wenn Sie nicht wissen, wohin mit den Goldfischen, bringen Sie sie zum Zoohändler (möglicher­weise wenig aussichtsreich), verschenken Sie sie in gute Hände, oder wenn es nicht anders geht, verfüttern oder verspeisen Sie sie; aber setzen Sie sie nicht aus!
Denn auch wenn Goldfische insgesamt in Mitteleuropa unproblematisch sein mögen: den faunistischen Charakter des jeweiligen Gewässers, in das sie eingesetzt werden, können sie massiv verändern und damit gefährdeten Arten (nicht nur Wirbeltieren!) die letzten Rückzugsbiotope nehmen. Oft kann man selbst auf den zweiten Blick nicht erkennen, wie wertvoll ein bestimmtes „Wasserloch“ für einige Arten ist.


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http://goldfische.carassius-auratus.info/natur.htm
http://goldfische.kaltwasseraquaristik.de/natur.htm

Letzte Überarbeitung: 30.05.2003/04.04.2009
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