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Lyrisches

… und so stehen wir im Geiste mit dem Dichter Su Tze Meh an das Brückengeländer gelehnt und lassen die Fische an uns vorüberziehen …

(Kuhn, o. J.)

Hier ein paar poetische Werke zum Goldfisch; teils Hochkultur, teils Kitsch …

Übersicht:



Hymnus an die Goldfische

O  Wasservölkchen, dem vom Himmel
Gleißenden Goldes blanke Zier,
Die Gabe wechselnder Verfärbung ward verliehn!
Sieh, wie's zinnobern
Rings um seltene Muster schimmert,
Dort, wo der Sonne Strahlenkrone
Aufs Kissen flüssigen Smaragdes drückt.
In Hakenbogen Schuppe an Schuppe gereiht —
Seidig blaßweiß wie Hagelschlicker
Fallen, wallen, blähen, spreizen sich Schleier.
Unschlüssig, des Juden Unrast im Gesicht,
Ziehn sie daher —
Bald dicht zu Hauf gleich einem Rudel Pferde,
Vor schmalem Hohlweg eng gepfercht —
Bald jählings auseinanderstiebend —
Wie auf der Flucht —
Bald fern, bald nah —
Treibt Furcht sie oder frohe Laune?
Ich weiß es nicht zu deuten. —
Des Morgens, wenn bei kühler Brise
Am Himmel rote Wölkchen schweben,
Des Abends, wenn der Mond auf Wellen glitzert,
Im Busch und Dikicht Nebelschwaden geistern
Und sachte, gleich Kometenschweifen
Die Silberflut bestreichen  —
Dann treibt sie's hin zum Ufer
Zwischen Lotos und geknickte Schachtelhalme,
Dann möchten sie das altgewöhnte Element
Verlassen und versuchen sich in kecken Sprüngen —
Doch weh, an allen Ecken stoßen
Die zarten Flossen hart auf Widerstand —
Horch! Allerorten Glucksen, Jappen!
Schwanzfuchtelnd schnellen sie
Ins offene Naß zurück. —
Tagsüber auf der Jagd nach kleiner Beute
Verweilen sie sich tief am Grund versteckt —
Doch eines Nachts, wenn langersehnter Regen
Das halbverdorrte Ufer grün berieselt,
Packt sie die Wanderlust —
Dem Tausendfüßler ähnlich,
Den die Sonne schreckt, das Feuchte weckt —
Da möchten sie mit Wind und Wolken ziehn
Und weit hinaus dem Zug des Regendrachen folgen —
Doch ach! Der Weg verlegt
Vom bösen Feind, dem grimmen Otter!
Oh, herzzerreißend auszudenken,
Wie sie todwund, mit aufgeschlitzten Flanken
Sich müd ins Uferdickicht schleppen! —
O Tücke abenteuerlicher Ferne!
O Heimat! Häusliche Geborgenheit!
Wohl euch, die ihr in Fischbassin und Kübel
Friedliche Heimstatt, sichere Obhut fandet!
Zwar mit dem freien In-die-Ferne-Schweifen
Ists nun vorbei.
Doch auch gebannt die Angst vor Weggefahren,
Nun dürft ihr, Männchen, Weibchen, ohne Sorge laichen
Und zärtlich angeschmiegt zu zweien
Bei leckrer Nahrung euch des Daseins freun!

 

China, 16. Jahrhundert, im Abschnitt „Schöngeistiges“ des „Tu schu tsi tschong“ wiedergegeben;
vgl. Kapitel Geschichte;
Übersetzung aus Kuhn (o. J.).

Geisha

Der verliebte Goldfisch

Geisha. Der verliebte Goldfisch (1. Bild) -- geisha1.jpg (40 kB)
Fräulein Goldfisch schwamm im Goldfischglas
wohl über den weissen Sand,
und sie seufzte gar sehr, sie liebte so schwer
zum Herzzerbrechen schier einen Seeoffizier,
der vor dem Aquarium stand.
Er warf ihr Kuchenkrümel hinein,
Das konnte nichts als Liebe sein
Sie sprach: So ist es sicherlich!
Er füttert mich, also liebt er mich!
— Ja, mein gold'ger Flitt- Flitt- Flitter
scheint ihm gar nicht bitt- bitt- bitter;
wer 'nen Leutnant fängt ein,
muß ein Goldfischlein sein,
das gefällt dem Ritt- Ritt- Ritter.

 
Sie ließ erglitzern im Sonnenlicht
ihr goldiges Schuppenkleid,
doch plötzlich vor ihr stand ihr Offizier,
o Gott, welch ein Harm
ein Mägdlein im Arm,
und küßte und koste die Maid!
Da ward's dem Goldfischfräulein klar,
daß jene wohl auch ein Goldfisch war.
Sie sprach: Er schaut mich an und lacht,
ich hab' ihn auf die Idee gebracht.
— Ja, mein gold'ger Flitt- Flitt- Flitter
scheint ihm gar nicht bitt- bitt- bitter;
wer 'nen Leutnant fängt ein,
muß ein Goldfischlein sein,
das gefällt dem Ritt- Ritt- Ritter.

Geisha. Der verliebte Goldfisch (2. Bild) -- geisha2.jpg (37 kB)  
Fräulein Goldfisch schwamm in dem kühlen Naß
gar einsam jetzt und allein,
denn der Herr Kavalier
kam nun nicht mehr zu ihr,
warf nicht mehr zum Spaß
ihr Krümel in's Glas,
und sie starb fast vor Liebespein.
Und als — o-weh — durch Zufallsspiel
das schwanke Glas zur Erde fiel,
da sprach sie liebevoll zuletzt:
Nun bin doppelt auf's Trockne ich gesetzt.
— Alles geht in Splitt- Splitt- Splitter,
auch mein gold'ger Flitt- Flitt- Flitter.
Muß geschieden auch sein,
noch im Tod denk' ich dein,
lebe wohl mein Ritt- Ritt- Ritter.

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Bei diesem Gedicht handelt es sich um ein Lied aus der englischen Operette „Die Geisha — eine japanische Teehausgeschichte in zwei Akten“ von Sidney Jones, entstanden um das Jahr 1895.

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Die gezeigten Ansichtskarten wurden im Oktober 1909 verschickt.
Auf den Karten findet sich keine Verlagsangabe; aber auf der Bildseite ein Monogramm (unten links; vielleicht kennt es jemand?).

Drucke von Schwarzweiß-Photographien; Kleid der „Geisha“ (Europäerin!) auf erster Karte coloriert (Druck); weiße erhabene Punkte am Kleid der „Geisha“ sowie Ärmelstreifen, Mützenband und Rockknöpfe des Marineoffiziers (auf oberer Karte silbern, auf unterer golden) von Hand aufgetragen.


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Dokument vom 26. Juni 2006
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